EU einigt sich auf 2040-Klimaziel – und baut Schlupflöcher ein

Bild: © PIXABAY Geralt

Vor COP30 einigen sich die EU-Umweltminister auf minus 90 % bis 2040 – mit bis zu 5 % Anrechnung durch ausländische Zertifikate. Österreichs Minister Totschnig feiert „passende Rahmenbedingungen“.

Der Deal in letzter Minute

In Brüssel haben die EU-Umweltminister ein 2040-Ziel beschlossen: Die Netto-Treibhausgasemissionen sollen um 90 % gegenüber 1990 sinken. Neu ist jedoch eine Flexibilitätsklausel: Bis zu fünf Prozentpunkte dürfen über den Kauf „hochqualitativer“ internationaler Klimazertifikate erbracht werden – rechnerisch müssten Emissionen innerhalb der EU damit nur um 85 % sinken. Zudem wird der neue Emissionshandel für Gebäude und Verkehr (ETS2) um ein Jahr auf 2028 verschoben. Noch vor dem Start der UN-Klimakonferenz in Belém sendet die EU damit ein Signal – allerdings ein abgeschwächtes.

Was ursprünglich auf dem Tisch lag

Die Europäische Kommission hatte im Sommer einen 90-Prozent-Pfad vorgeschlagen, begründet mit Wettbewerbs- und Sicherheitserwägungen sowie einer Wirkungsanalyse – ohne eine so weitgehende Anrechnung ausländischer Zertifikate. Auf dieser Basis sollte das 2040-Ziel die Brücke zwischen dem 55-Prozent-Ziel für 2030 und der Klimaneutralität 2050 schlagen.

Österreichs Linie: Zustimmung – wenn die Bedingungen stimmen

Unmittelbar vor und nach dem Ratstermin positionierte sich Österreichs Landwirtschafts- und Klimaminister Norbert Totschnig (ÖVP) klar: Man könne dem Minus-90-Ziel zustimmen, „wenn die Rahmenbedingungen passen“ – sprich: längere Gratiszertifikate im EU-ETS, frühere Nutzung internationaler Zertifikate, Sonderregeln für natürliche Senken sowie Berücksichtigung der Ernährungs- und Standortsicherheit. Nach der Einigung betonte Totschnig, es sei gelungen, „eine Perspektive für Österreichs Wirtschaftsstandort, insbesondere die produzierende Industrie, durchzusetzen“. Wörtlich nannte er die Gratis-Zertifikate „überlebenswichtig für den österreichischen Wirtschaftsstandort“.

Auf einem Blick, die Rechnung in Ziffern:

Die zusammenfassende APA-Berichterstattung hält die Kernpunkte fest: Minus 90 % bis 2040, bis zu fünf Prozentpunkte via Zertifikatekauf in Drittstaaten, ein 2035-Korridor von 66,25 bis 72,5 % sowie die Verschiebung des ETS2 auf 2028. In Österreich verteidigte Totschnig die Abschwächungen und argumentierte, unterm Strich bleibe das 90-Prozent-Ziel erhalten – entscheidend sei ein globales Signal.

Europäische Stimme vor COP30

Inhaltlich bleibt die EU beim 90-Prozent-Ziel – politisch ist die Botschaft komplizierter. Einerseits betont der Rat die „Vereinigung von Ambition und Wettbewerbsfähigkeit“, andererseits öffnen Flexibilitäten Spielräume, die nationale Pfade weicher zeichnen. Vor dem Start von COP30 in Brasilien will Brüssel dennoch Geschlossenheit zeigen – mit einem Ziel, das ambitioniert klingt, aber von der 5-Prozent-Anrechnung und ETS-Verschiebung geprägt ist.

Quellenhinweise: EU-Rats-Presseaussendung mit wörtlichen Zitaten/Details zum Flexibilitätsrahmen; Reuters/ORF zur effektiven 85-%-Wirkung durch Zertifikate und zum Timing; APA-Meldung zu 2035-Korridor und ETS2-Verschiebung; BML-Statements und Zitate von Bundesminister Totschnig; EU-Kommissionsseite zum ursprünglichen 90-%-Vorschlag.

Die Forerunners Einordnung und Ausblick

Mit dem Ratsvotum beginnt der Trilog mit dem Europäischen Parlament. Dort dürfte die 5-Prozent-Anrechnung – ebenso wie die Rolle von Senken und die industriepolitischen Leitplanken – auf den Prüfstand kommen. Klar ist: Der Pfad zu 2040 definiert Investitions- und Planungssicherheit für ein Jahrzehnt. Ob Europa damit Tempo macht oder Zeit verliert, hängt daran, wie strikt Zertifikate und Senken reguliert und wie zügig reale Emissionen im Industrie-, Gebäude- und Verkehrssektor sinken. Für Österreich gilt: Totschnigs „Rahmenbedingungen“ sind vorerst erfüllt – die Debatte darüber, ob das Klima damit gewinnt, beginnt jetzt.

Quellenhinweise: EU-Rats-Presseaussendung mit wörtlichen Zitaten/Details zum Flexibilitätsrahmen; Reuters/ORF zur effektiven 85-%-Wirkung durch Zertifikate und zum Timing; APA-Meldung zu 2035-Korridor und ETS2-Verschiebung; BML-Statements und Zitate von Bundesminister Totschnig; EU-Kommissionsseite zum ursprünglichen 90-%-Vorschlag.

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