Ein Gespräch mit Stefan Selden, Vorstand der Wiener Privatbank: Europa steht unter Druck – politisch, wirtschaftlich, moralisch.
In dieser kritischen Phase spricht Stefan Selden, Vorstand der Wiener Privatbank, im FORERUNNERS Podcast über das Spannungsfeld zwischen Prinzipientreue und Realpolitik, über Chancen im Ungewissen und über die Zukunft eines Finanzsystems, das mehr braucht als nur Renditeziele.
Wer mit Selden über Europa spricht, spürt: Hier geht es nicht um Schlagzeilen, sondern um Tiefenschärfe. „Wir stehen an einem Punkt, an dem die Prinzipien, auf denen Europa fußt, gleichzeitig unsere größte Stärke und unser größtes Risiko sein können“, sagt er. Gemeint ist: Während globale Konkurrenten mit Geschwindigkeit und Machtpolitik agieren, bindet sich Europa an selbst auferlegte Regeln – in der Hoffnung auf Stabilität und Vertrauen.
Doch die Welt ist nicht stehen geblieben. Ein wiedergewählter Donald Trump, geopolitische Unsicherheiten, eine neue österreichische Regierung ohne grüne Beteiligung – all das verändert die Parameter für Banken, Anleger und politische Strategien.
„Wir laufen Gefahr, uns in unserem eigenen Regulierungsnetz zu verfangen“, warnt Selden. Dabei sei Regulierung per se kein Feind. „Aber wenn die Dynamik der Weltmärkte schneller ist als unser Verständnis dafür, wie wir sie steuern wollen, dann verlieren wir den Anschluss.“
Doch es gibt auch positive Signale:
Die Europäische Kommission hat im Februar 2025 das erste Omnibus-Paket vorgestellt, das darauf abzielt, Bürokratie abzubauen und EU-Vorschriften für Bürger und Unternehmen zu vereinfachen. Dieses Maßnahmenpaket konzentriert sich unter anderem auf die Vereinfachung der Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Unterstützung verantwortungsvoller Geschäftspraktiken, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu stärken und Investitionen zu fördern, aber ohne eben die Nachhaltigkeitsziele gesamt über Bord zu werfen“
Trotz – oder gerade wegen – dieser Herausforderungen plädiert Selden für klare Haltungen.
Er spricht von einem „Stresstest für unser Wertesystem“ und der Notwendigkeit, langfristig zu denken, wenn kurzfristige Turbulenzen dominieren. „Wer heute in Nachhaltigkeit investiert, braucht Rückgrat – nicht nur Portfoliomodelle.“
Investieren mit Haltung – auch ohne politischen Rückenwind. Das ist eines der Leitmotive, die sich durch das Gespräch ziehen. Selden macht deutlich: Nachhaltige Investments sind nicht bloß Trend, sondern strategische Notwendigkeit in einer Welt, die mehr denn je nach Orientierung verlangt.
Was bleibt am Ende dieses halbstündigen Gesprächs? Ein nüchternes, aber hoffnungsvolles Fazit:
„Wir brauchen eine Vision für ein europäisches Finanzsystem, das nicht aufgibt, sondern Zeichen setzt.“
Zeichen für Transparenz, Verantwortung – und dafür, dass auch in stürmischen Zeiten Prinzipien nicht zu Ballast werden müssen, sondern zum Kompass werden können.
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