Freiwillig arbeiten? In der Pension? Ja, sehr gerne!

Manchmal springt einen ein Thema von allen Seiten an. Mir ging es in den letzten Wochen mit dem Thema der Freiwilligenarbeit so. Von verschiedensten Ecken war ich plötzlich mit dem Thema konfrontiert. Und das Besondere dabei:
Die Berichte waren allesamt unumstritten positiv.

VON LILLI MAHDALIK

Ich habe eine große Familie in Holland und dabei vor allem mit meinen Tanten Kontakt. Bei jedem Telefonat, jedem Brief und jedem Besuch, erfahre ich kleine Anekdoten, die aus deren Freiwilligenarbeits-Alltag stammen.

Die Freiwilligenarbeit meiner Tanten war nach deren Pensionierung völlig selbstverständlich da und ich habe nie besonders darüber nachgedacht. Beim letzten Besuch war mein Interesse aber dann plötzlich geweckt und ich habe genauer nachgefragt:

Nach meiner Pensionierung habe ich Anfang des Jahres angefangen, ehrenamtlich bei der Stiftung Diligence Almere zu arbeiten. Wir holen ältere Menschen zu Hause ab, machen uns einen schönen Tag und bringen sie wieder nach Hause. Das macht mir sehr viel Spaß.
Außerdem arbeite ich ehrenamtlich im Filmhaus der Bibliothek von Almere.
Ich kontrolliere die Eintrittskarten und schaue mir den Film an. Auch eine sehr schöne Aufgabe.“

MEINE TANTE FIEKE

„Ich gehören der Freiwilligenmannschaft der RosenpflergerInnen des Vondelparks an. Ich habe immer in der Nähe des Parks gewohnt, ihn immer geliebt und da habe ich mir diese Aufgabe natürlich sehr gut vorstellen können.
Außerdem unterstütze ich einen Verein, der für Flüchtlings-Frauen aus verschiedenen Afrikanischen Ländern ins Leben gerufen wurde. Ich helfe beim Ausfüllen von behördlichen Dokumenten und Anträgen und lerne den Frauen ein wenig unsere Sprache. Es sind wunderschöne Begegnungen!“

MEINE ANDERE TANTE, MARIKE

Die Arbeit klingt wunderbar, nach etwas, das ich mir auch vorstellen könnte, wenn ich viel Zeit zur Verfügung hätte. Und: Die Beschäftigungen tun meinen Tanten offensichtlich gut und ich bemerke, wie sie von ihren Aufgaben schwärmen.

Sie bleiben gesund und fit!
Sie erzählen mir, dass alle Verwandten und Freund*innen, die im Ruhestand gesund und fit sind, unterschiedliche Aufgaben übernommen haben. Es gibt regionale, aber auch nationale Vereinigungen, die solche Arbeiten organisieren und vermitteln. Es scheint eine Selbstverständlichkeit in den Niederlanden zu sein, nach dem beruflichen Leben weiter aktiv zu sein und etwas beizutragen.

Untersuchungen des Statistischen Zentralamts (CBS) zeigen, dass sich im Jahr 2022 in der Gruppe der Älteren Menschen (65-75 Jahre) in den Niederlanden 48,4 % freiwillig engagierten. (Siehe CBS.nl).

Ich bin beeindruckt und denke mir: Typisch Holland…

Von dort höre ich immer über coole Projekte, die ich als äußerst sozial empfinde und die mir im Sinne eines positiven Zusammenlebens großartig erscheinen.

Wenig später fällt mir aber auch eine Ankündigung in Wien auf:
11 Jahre Wiener Freiwilligenmesse!
Mein Interesse ist also geweckt, ich suche die Website auf:

„Seit über 10 Jahren gibt es die Wiener Freiwilligenmesse.  Rund 50.000 Besucher*innen haben sich in den Jahren über die Möglichkeiten freiwilligen Engagements informiert. Tausende haben eine freiwillige Tätigkeit bzw. ein Ehrenamt gefunden.“ (Zitat https://www.freiwilligenmesse.at).

Ich bin überrascht. Dann machen wir Österreicher das also auch? Warum habe ich das nicht mitbekommen? Ich lese weiter.

„Freiwilligenarbeit ist für Österreich von großer Bedeutung. Mehr als drei Millionen Menschen engagieren sich freiwillig. Ob formell in einem Verein oder informell in der sogenannten Nachbarschaftshilfe. Österreich ohne Freiwillige ist undenkbar. Freiwilliges Engagement macht Menschen glücklich und hilft, gesund und aktiv zu bleiben. Besonders im Alter ist Freiwilligenarbeit daher ein hervorragendes Instrument gegen Einsamkeit, depressive Verstimmungen und Isolation.“ (Zitat https://www.freiwilligenmesse.at/)

Nur positive Effekte
Meine Recherche von wissenschaftlichen Untersuchungen* lässt keinen Millimeter Zweifel zu. Es ist unumstritten und hundertfach bestätigt: Freiwilligenarbeit ist in jeder Weise gesund und hat jede Menge positive Effekte auf das Leben der älteren Menschen!

(Z.B.: *Volunteering and Subsequent Health and Well-Being in Older Adults: An Outcome-Wide Longitudinal Approach; Eric S. Kim; June, 2020)

Credit: freepik.com

Ist Freiwillige Arbeit wirklich so schön? Und liegt es daran, dass man seinen „Pflichtanteil“ schon erledigt hat, nicht mehr in dem Arbeits-Muss und Erfolgsdruck steckt und sich jetzt in einer Zone befindet, in der man das gibt, das einem leicht zu geben fällt und den eigenen Möglichkeiten und Interessen entspricht? Ist das nicht ein wunderschönes Bild von Arbeit!?

Gesteigerte Fitness, Vitalität, Mobilität unterstützen erfolgreiches Altern und stabilisieren nicht nur den Körper, sondern nähren auch das psychische Wohlbefinden. Ehrenamtlich engagierte Pensionisten beschreiben sich als ausgeglichener, glücklicher und gesünder. Das sind die relevanten Faktoren, die über die Lebensqualität entscheiden.

Das Fest meines Vaters
Mit fällt da auch das letzte Fest meines Vaters ein. Er, 80 Jahre alt, hatte viele seiner Freunde eingeladen und darum gebeten, das Buffet gemeinsam zusammenzutragen. Jeder sollte etwas, das er gerne und gut kocht, beisteuern.

Die Reaktion seiner Freunde war positiv. Mehrere Telefonate mit Besprechungen über die Speisen folgten schon viele Tage vor dem Treffen selbst. Und auch die Begrüßung an der Eingangstür sah diesmal anders aus als sonst:  Ein knappes Hallo musste reichen, da das mitgebrachte Essen in den Vordergrund rückte und jeder fröhlich und stolz sein Gerichte abgab, und Hinweise zum Warmhalten, Servieren, Garnieren (bis hin zu genauen Zeitangaben der Herstellung) loswurde.
Es war ein tolles Buffet! Eine Dame, mit dem umfangreichsten Wissen zur Dorfgeschichte und stets beim Erhalt der Traditionen engagiert, brachte die traditionellen Kürbisfeseln mit, die man nirgendwo mehr bekommt. Der pensionierte Praktische Arzt aus Palästina kochte eine rote Lindensuppe, das frankophile Paar zauberte ein auf der letzten Frankreichreise entdecktes Rezept und so weiter. Jeder hatte mit seiner Persönlichkeit, Geschichte und seinem Geschmack zum gemeinsamen Essen beigetragen, bekam Feedback und Lob. Die ganze Gesellschaft hat über viele Tage ein Ziel und Aufgaben – das erfüllte alle Teilnehmer mit Glück.

 Wieder einige Tage darauf sah ich abends eine Doku auf Netflix. „Wie wird man 100 Jahre alt? – Die Geheimnisse der Blauen Zonen“ (Anmerkung: Große Empfehlung!)

Auch hier eines der erforschten Erfolgsrezepte: Wer bis ins hohe Alter eine Aufgabe hat, hat einen Grund morgens aufzustehen und fühlt sich erfüllt. In allen erforschten Regionen, die ein hohes Alter und glückliches Älterwerden überall auf der Welt ermöglichen, ist diese Beteiligung und das Beitragen der alten Menschen am Leben in der Gemeinschaft enthalten.

Die Freiwilligenarbeit scheint ein Wundermittel zu sein und ich ziehe das Resümee, dass ich diesen Aspekt auf keinen Fall für mein eigenes Leben vergessen darf, wenn ich dann später alt bin.

Abgesehen von den den afrikanischen Frauen in Amsterdam, denen meine Tante hilft, den alten Menschen, die meine andere Tante in Almere abholt, den vielen Kindern, alten Menschen, Tieren denen geholfen wird, Pflanzen die gepflegt, Gebäude die erhalten und Strukturen des Zusammenlebens, die genährt werden, ist auch die Seite der Akteure, der Gebenden eine, die etwas bekommt. Somit werden Gebende zu Nehmenden – und das Sprichwort: Reich ist, wer viel hat. Reicher ist, wer wenig braucht. Am reichsten ist, wer viel gibt!, hat anscheinend recht. 

Hier können Sie sich über Freiwilligenarbeit in Österreich informieren:

https://www.caritas-wien.at/spenden-helfen/freiwilliges-engagement
https://www.lebenshilfe.at/spenden/freiwillig-aktiv/
https://www.roteskreuz.at/ich-will-helfen

empfohlen
Eine neue Ära der Automobilproduktion

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Scroll to top
Close
Browse Tags
Browse Authors
Cookie Consent mit Real Cookie Banner