Die Großausstellung ist eine Kooperation des MAK mit dem Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G) und Jane Withers Studio, London – Eröffnung am 20. Mai 2025
Wasserknappheit, Dürren, Verschmutzungen von Gewässern, Ozeanen und Grundwasser, Überflutungen, gestörte Wasserkreisläufe, Rückgang der Artenvielfalt:
Die globale Wasserkrise hat viele Gesichter, mit zum Teil dramatischen Ausmaßen. Obwohl Wasser ein Menschenrecht ist, haben laut Angaben der Vereinten Nationen etwa 2 Milliarden Menschen weltweit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, und 3,5 Milliarden müssen ohne sanitäre Grundversorgung auskommen. Der sorgsame Umgang mit dieser lebensnotwendigen Ressource zählt zu den größten Herausforderungen der Menschheit. Als eine der ersten groß angelegten musealen Auseinandersetzungen mit diesem Thema rückt
WATER PRESSURE.Gestaltung für die Zukunft, das vielseitige Element Wasser in den Fokus und zeigt die Rolle von Design bei der Gestaltung einer nachhaltigen Wasserzukunft auf.
Das multidisziplinäre Projekt – eine Kooperation des MAK mit dem Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G) und Jane Withers Studio, London – eint Kunst, Design, Architektur und Wissenschaft im Bestreben, mit visionären Konzepten zur Bewahrung, nachhaltigen Nutzung und gerechten Verteilung von Wasser beizutragen. Zahlreiche innovative Objekte und Installationen zeigen Wege aus der globalen Wasserkrise und für eine radikale Änderung der aktuellen Lage auf, wobei viele auf Prinzipien der Natur zurückgreifen.
In Wien wird die Ausstellung um historische Objekte aus dem MAK und anderen Wiener Institutionen, Videos und Installationen zeitgenössischer Künstler*innen und Designer*innen sowie österreichspezifische Projekte und Statistiken ergänzt. Julian Charrières monumentale Videoarbeit And Beneath It All Flows Liquid Fire (2019), die den traditionellen Brunnen neu interpretiert und Wasser durch Flammen ersetzt.
Es erinnert daran, dass durch Magma aus dem Erdkern entstandener Wasserdampf zur ersten Ozeanbildung beitrug, konnte als spektakuläres Intro zur Präsentation der Ausstellung im MAK gewonnen werden. Als weitere Auftaktarbeit in Wien entwickelt das niederländische Designer*innen-Kollektiv Dutch Invertuals eine neue Variante ihrer Installation Flow, die uns mit auf die Reise eines Wassertropfens durch verschiedene Terrains aus natürlichen wasserabweisenden Materialien wie Schafwolle nimmt.
Vor dem Ausstellungsbesuch können die Besucher*innen im Glastrakt des MAK bei einer vom Wiener Designbüro EOOS entwickelten Installation selbst das hygienische Händewaschen bei minimalem Wasserverbrauch testen. Das Projekt SafeTap,konzipiert für Schulen im Globalen Süden, ermöglicht Handhygiene an Orten ohne fließendes Wasser.
Viele der in WATER PRESSURE aufgezeigten Krisen scheinen in einer von hoher Lebensqualität und Wasserreichtum geprägten Stadt wie Wien weit entfernt. Hier sprudelt seit mehr als 150 Jahren sauberstes Trinkwasser aus den Wasserhähnen, eingeleitet per Hochquellleitung aus den Bergen der Ostalpen.
Den jahrhundertelang wiederkehrenden Hochwasserkatastrophen in Stadtgebieten, die auf ehemaligem Auengebiet erbaut wurden, hat sich Wien mit Hochwasserschutz in Form der 21 Kilometer langen Neuen Donau samt Donauinsel – einem beliebten Naherholungsgebiet – entgegengestellt. Die Krise kann uns aber auch sehr schnell selbst betreffen, wie zuletzt das Hochwasser im Herbst 2024 gezeigt hat, als der Wienfluss unmittelbar in der Umgebung des MAK seinen Jahrtausend-Höchststand erreichte.
Wir alle tragen zur Wasserkrise bei, nicht zuletzt mit dem Verbrauch von Energie, Nahrungsmitteln und Konsumgütern, deren Herstellung den Großteil des weltweit entnommenen Süßwassers verschlingt. Diesen komplexen Verschränkungen geht WATER PRESSURE in einem vielschichtigen Ausstellungssetting, mit unterschiedlichsten Blickwinkeln auf eine Substanz, die als Lebenselixier gilt, nach.
Wasser ist der einzige Stoff auf der Erde, der in der Natur in allen drei Aggregatzuständen existiert: flüssig als Wasser, fest in Form von Eis und gasförmig als Wasserdampf. Diese einzigartige Eigenschaft beeinflusst das Klima, den Wasserkreislauf und die Lebensbedingungen für alle Lebewesen.
Wasser ist Leben !
Fünf thematische Kapitel widmen sich in WATER PRESSURE jeweils unterschiedlichen Aspekten der globalen Wasserkrise:
Water Stories erzählt in einer vielfältigen Collage aus Ideen und Beispielen verschiedener Epochen und Kulturen von der kulturellen Bedeutung von Wasser, um unsere Verbindung zum Wasser und das Verständnis für seine Rolle im Ökosystem wiederzuerwecken. Das Kapitel beinhaltet auch zahlreiche indigene Strategien und Praktiken, die heute als Inspiration für naturbasierte Lösungsansätze dienen können. Die slowenische Künstlerin Marjetica Potrč thematisiert in ihrer Wandmalerei The Time on the Lachlan River und dem Bildessay The Rights of a River beispielsweise die Rechte von Flüssen und die politischen Kämpfe um deren Schutz. Eine Chronologie des Wassers geht über die typisch westlich geprägten Erzählungen hinaus und zielt darauf ab, das Thema aus einer globalen Perspektive zu vermitteln. Die Zeitleiste präsentiert wichtige Meilensteine aus der Kulturgeschichte des Wassers, von antiken Zivilisationen bis in die nahe Zukunft.
Bodily Waters erkundet das Wassermolekül und seine enge Verbindung zu menschlichen und nicht menschlichen Körpern. Dabei geht es auch um globale Ungleichheiten beim Zugang zu sauberem Wasser. Kunstprojekte wie The Topography of Tears von Rose-Lynn Fisher, eine Fotoserie über die unterschiedlichen Mikrostrukturen von Tränen, stehen praktischen Lösungen gegenüber, etwa dem Abwassermonitoring zur Erkennung von Krankheiten wie SARS-CoV-2. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den weltweiten Ungleichheiten beim Zugang zu sauberem Wasser. Alternativen zum herkömmlichen Abwasser-Management-System bieten beispielsweise die Kampagne Death to the Flushing Toilet, die 2023 im finnischen Pavillon der Architekturbiennale in Venedig präsentiert wurde, und viele weitere innovative Sanitärlösungen. GLASS-works Matter, eine Designinitiative des Studios Makkink & Bey, zeigt im MAK eine Kollektion von Trinkgläsern mit insgesamt 70 Litern Fassungsvolumen, die die durchschnittliche Wassermenge in einem menschlichen Körper symbolisiert.
Thirsty Cities zeigt innovative Lösungen für die Wasserkrise in internationalen Metropolen wie Chennai, London, Mexiko-Stadt, Kopenhagen und Lagos, um Wasserknappheit, Verschmutzung und Überflutungen zu begegnen. Im Laufe des letzten Jahrzehnts sind mehrere Städte auf den „Day Zero“ zugesteuert – den Tag, an dem die Wasserhähne versiegen: Das City of 1000 Tanks-Projekt von OOZE Architects in Chennai, Indien, revitalisiert die traditionellen Wassertanks, Reservoirs und Tempelteiche der Stadt und integriert sie in ein dezentrales Wassermanagementsystem. In Lagos, Nigeria, wurde die Makoko Floating School, eine schwimmende Architektur von NLÉ Architects, entworfen, um Kindern in einem hochwassergefährdeten Gebiet Bildung zu ermöglichen. Im MAK, das auch eine Außenstelle in Los Angeles besitzt, wird das Kapitel um die Arbeit LA-River (2014) von Björn Segschneider ergänzt. Er dokumentierte den 77 Kilometer langen Los Angeles River mit poetischen Videosequenzen und speziell komponierten Sounds, um dessen Landschaft und urbane Subkulturen einzufangen.
Invisible Water thematisiert den Wasser-Fußabdruck von Landwirtschaft und Industrie und skizziert neue Wege zur Reduktion des Wasserverbrauchs und der Wasserverschmutzung. Neue Konzepte setzen bei der Wassernutzung auf Kreislaufmodelle und Prinzipien aus der Natur, um einen Systemwandel einleiten zu können. So verursacht etwa das biologische Verfahren Colorifix zur Herstellung von Textilfarben im Gegensatz zu üblichen chemischen Färbeverfahren keine Wasserverschmutzung. Alternative Strategien für die Beschaffung von Baumaterialien im Einklang mit der Regeneration von Ökosystemenstellen die derzeitigen Normen der Bauindustrie infrage, darunter das Projekt Paludikultur von Material Cultures und Bauhaus Earth, für das regenerative Materialien in Feuchtgebieten angebaut werden.
Ecosystems zeigt alternative Ansätze zur Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Mensch und Natur auf. Menschliche Eingriffe wie Flussregulierungen, Staudämme, das Trockenlegen von Feuchtgebieten und die Entnahme von Grundwasser zerstören Ökosysteme, die biologische Vielfalt und den Wasserkreislauf. Die gezeigten Lösungen integrieren zum Teil auch lokales und indigenes Wissen. So wurden etwa für das New Yorker Projekt Living Breakwaters (SCAPE Landscape Architecture) Strukturen unter Wasser gebaut, die Wellen brechen, die Erosion des Strandes verringern und Lebensräume für verschiedene Meeresorganismen bieten. CloudFisher, ein innovatives System, das Wasser aus Nebel gewinnt, versorgt in Marokko 1.300 Menschen täglich mit mindestens 12 Litern Trinkwasser und ermöglicht dadurch auch Mädchen, die oft für das Wasserholen verantwortlich sind, stattdessen zur Schule zu gehen. Die spanische Künstlerin Cristina Iglesias erstellte eigens für das MAK einen Special-Edit ihres Films Estancias Sumergidas (Mar de Cortés). In ihrer Arbeit The Seas Are No Longer Dying stellt sich Superflux eine Zukunft vor, in der die Menschen zusammenarbeiten, um die Ressourcen des Meeres regenerativ zu nutzen.
Zur Entwicklung der Ausstellung WATER PRESSURE, die nach dem MK&G Hamburg und dem Museum für Gestaltung Zürich für das MAK adaptiert und mit weiteren Projekten angereichert wurde, trug ein Expert*innenbeirat verschiedener Disziplinen bei.
Die Ausstellungsgestaltung wurde von dem belgischen Designstudio 51N4E entwickelt. Sie setzt auf ein Kohlenstoff-negatives Material des Produzenten Søuld, das aus Seegras gewonnen und unter besonders wenig Wasserverbrauch erzeugt wird. Im MAK wird das Display durch Abflussrohre der wienerberger-Marke Pipelife ergänzt, die in den Materialkreislauf rückgeführt werden können und die Infrastruktur unserer Wassersysteme aufgreifen.
In der Ausstellung vertreten sind u. a.: Julian Charrière; Colorifix; Dutch Invertuals; EOOS; Rose-Lynn Fisher; LaToya Ruby Frazier; Cristina Iglesias; Cannupa Hanska Luger; Material Cultures for Bauhaus Earth; NLÉ Architects; Wura-Natasha Ogunji; OOZE Architects; Marjetica Potrč; SCAPE Landscape Architecture; Diana Scherer; Björn Segschneider; Studio Makkink & Bey; Sungai Watch; The Dry Collective; TREDJE NATUR; WasserStiftung
Partner
Wienerberger AG
Eröffnung
Dienstag, 20.5.2025, 19 Uhr
Eintritt frei zur Ausstellungseröffnung
Ausstellungsort
MAK Ausstellungshalle OG
MAK, Stubenring 5, 1010 Wien
Ausstellungsdauer
21.5.–7.9.2025
Öffnungszeiten
Di 10–21 Uhr, Mi bis So 10–18 Uhr