Wie viel Böse ist noch gut? Über Vorbilder, Politiker und Klimakleber

Ab wann wird das Gute zum Bösen, das Schwarze zum Weißen oder der Klimakleber zum Terroristen? Im Jahr 2024 werden jede Menge Weggabelungen auf uns warten. Die Richtungen stehen für viele noch nicht fest, aber es wird “resch”. Sowohl politisch als auch wirtschaftlich und in Sachen lebenswerter Umwelt sowieso. ESG-Errungenschaften müssen manifestiert werden, weitere hinzukommen. Grund zur Freude: Wir werden uns weiterentwickeln!

VON SALMO TRUTTA

Als ich neulich in einem Wiener Cafe saß, ließ ich mir einen Satz von einer Aktivistin auf der Zunge zergehen: Es gibt in Österreich mehr Bürgermeister mit dem Vornamen Hans als Bürgermeisterinnen.

Ich gestehe: Überprüft hab ich das nicht, gibt es doch alleine in Niederösterreich 233 BürgermeisterInnen. In Wien gab es jedenfalls noch nie eine Frau an der Spitze der Stadt, was die beängstigende “Hans-Theorie” eher untermauert als infrage stellt.

Fest steht, in Sachen Frauen-Power steht noch jede Menge auf der To-Do-Liste. Wobei ich mir selbst nicht ganz sicher bin, ob das nicht auch schon wieder zu sehr schwarz-weiß-gedacht ist. Niemand darf benachteiligt werden, so viel steht fest.

Mehr Lenas als Aktivisten
Der Feminismus hat sich seit “Friday-for-future” mehr und mehr zum Umwelt-Aktivismus transformiert. Fast ausnahmslos stehen junge, mutige Frauen an der Spitze der nationalen Klimabewegungen. Wahrscheinlich gibt es hier mehr führende Aktivistinnen, die Lena heißen, als Aktivisten…

Auch wenn diese letzte Vermutung nicht ganz ernst gemeint ist, stellt sich schon die Frage, warum etwa in Österreich Lena Schilling, in Deutschland Luisa Neubauer, oder weltweit Greta Thunberg für einen dringend notwendigen Wandel stehen, während man bei klimaschützenden Männern im ersten Moment nur den Zigarren paffenden, 76-jährigen Arnold Schwarzenegger im Kopf hat.

Reduktion ist das neue “sexy”!
Umweltschutz ist seit Jahren der “Brennpunkt” auf der politischen Agenda. Jeder Österreicher wurde schon damit konfrontiert, hat dazu eine Meinung. Tief im Innersten, davon bin ich überzeugt, weiß auch jeder, dass viel mehr getan werden MUSS. Oder besser formuliert: Viel weniger getan werden sollte. Reduktion ist das neue “sexy”! Kein Whirlpool auf der Terrasse, sondern eigene Hühner im Garten. Oder gar kein eigener Garten mehr?

Im krassen Gegensatz dazu stehen in vielen Bereichen die wirtschaftlichen Interessen. Mehr ist geil, Wachstum ist Religion und eine Firma, die nur ihre Mitarbeiter ernährt, ist lachhaft.

Die Schafe der Turbo-Kapitalisten
Wer sind also unsere Vorbilder, unsere Forerunner der kommenden Monate und Jahre? Sind es die wirtschaftlich höchst erfolgreichen Kapitalisten, die ohne zu zögern auch noch das letzte Kohle-Brikett in unsere Atmosphäre ballern würden? Weil sie ja nicht “blöd” sind und nur auf sich schauen. Uns dann in Instagram-Ads schlaue Wegweiser auf dem Weg ins Land wo Milch und Honig fließen sein wollen, nur um ihr nächstes Buch oder Online-Seminar unter die “Schafe” bringen zu können.

Oder sind es Klimakleber, deren Ideenlosigkeit und teils gespenstisches “Nicht-kommunizieren” uns nur noch weiter auseinander dividiert? Wie viel Böse ist noch gut? Denn die Absichten sind ja unbestritten gute, die Umsetzung ist starr und böse. In meiner Wahrnehmung zumindest. Also: Wie viel Böse kann überhaupt gut sein?

Zuallererst die ureigene Wahl
Natürlich weiß ich es auch nicht. Was ich aber weiß: Es stehen Wahlen an. Wahlen über Wahlen in diesem Jahr. Zuerst die ureigene Wahl: Was kann ich, will ich selbst beitragen zum “Change”. Will ich Fleisch beiseite lassen? Will ich autofreie Tage einlegen? Will ich mich in der Nachbarschaft oder in einem Verein engagieren? Verstehen Sie mich nicht falsch: Nichts davon muss man tun, aber man darf sich nichts vormachen: Man hat bei all diesen Themen nämlich sehr wohl immer die Wahl.

Und dann wären da noch die politischen Wahlen. Die Arbeiterkammer-Wahlen sind bereits im Gange, Salzburg schreitet zu Urne, Innsbruck auch, die EU-Wahl steht an, die riesige Nationalratswahl, Vorarlberg und die Steiermark müssen sich ebenfalls politisch neu aufstellen. Und zu guter Letzt erwarten uns zum Jahres-Finish die US-Wahlen.

Steigen Sie ein, fahren Sie mit: Lasst uns über die Politiker schimpfen! Mein Tipp: Fühlen Sie sich alleine, betreten Sie eine Bar und sind unsicher? Hauen Sie einfach einen Karlauer über die korrupten, unanständigen Politiker raus und sofort stimmt Ihnen jeder zu und sie haben neue “Gleichgesinnte”.

Raus aus den Bubbles!
Aber wir müssen raus aus diesen Meinungs-Bubbles. Politiker sind nicht per se böse. Weil ich für massiven Umweltschutz bin, muss ich nicht für Klimakleber oder Tempo 100 auf Autobahnen sein. Das ist alles Schwarz-weiß-denken. Das war alles gestern.

Es gibt tolle PolitikerInnen, es gibt PolitikerInnen, die schlechte Tage haben. Und es gibt korrupte, unanständige PolitikerInnen. Sie sind wie die Automechaniker, die Bankmitarbeiter, die Journalisten – sie sind wie wir. Und wir brauchen sie.

Der Bauch hat immer recht
Uuuuuund: Wir haben die Wahl – auf allen Ebenen. Jetzt mag Ihnen möglicherweise der Satz auf den Lippen liegen, dass es die Wahl zwischen Pest und Cholera wäre. Dem ist aber nicht so. Völlig unrealistisch wäre der Ansatz, dass es eine Partei gibt, die all meine Ansichten teilt und verspricht, all meine Wünsche zu erfüllen. Die Schlüssel sind die höchste Schnittmenge und das Bauchgefühl. Kann ich bei den meisten Richtungen dieser Partei mitgehen, dann ist das schon etwas. Hab ich trotzdem ein Unbehagen, diese Farbe zu wählen? Dann Finger weg. Der Bauch hat fast immer recht. Bei jeder Wahl, auch bei der, ob man lieber spaltet oder verbindet. Tag für Tag.

empfohlen
Eine neue Ära der Automobilproduktion

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Scroll to top
Close
Browse Tags
Browse Authors
Cookie Consent mit Real Cookie Banner